Eine unvorhergesehene Revolte

Proteste in Brasilien

Brasilien ist sowohl politisch als auch wirtschaftlich ein aufstre- bendes Land. Seit Jahren regiert in Brasília eine linke Regie- rung. Trotz Fortschritten im sozialen Bereich gibt es zahlreiche Reformbaustellen. Die gesellschaftliche Spaltung ist tief. Dar- über kann auch die anstehende Fußball-WM nicht hinwegtäu- schen. Im Gegenteil! Die Brasilianer machten sich unerwartet Luft. Welche Konsequenzen wird Präsidentin Rousseff daraus ziehen und was bedeutet dies für die anderen Linksregierun- gen in Südamerika? Versetzten die Proteste gegen die konservative Erdoğan- Regierung in der Türkei die Weltöffentlichkeit im Früh- sommer 2013 schon in einiges Erstaunen, so kam die Rebellion auf den Straßen des wirtschaftlich ähnlich erfolgreichen Auf- steigerlandes Brasilien für praktisch alle politis chen Beobach- ter gänzlich unerwartet. Es wurde weithin angenommen, die Brasilianer und Brasilianerinnen hätten wenig Grund zu massivem Protest, anders als die Bürger in den Regionen, die seit dem Arabischen Frühling von sozialen und politischen Unruhen erschüttert werden. Auch ließ das politische Baro- meter bis unmittelbar vor den Demonstrationen in den bra- silianischen Großstädten im Juni noch keine Warnzeichen für die Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff und der von ihr geführten Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores, PT) erkennen; noch Ende Mai beurteilten 57 Prozent der Befragten ihre Amtsführung durchweg positiv.1 Man sonnte sich in der weltweiten Reputation, die auf den wirtschaftlichen und poli- tischen Bedeutungszuwachs des Landes zurückzuführen ist, der mit dem Antritt der Mitte-links-Regierung unter Luiz Inácio „Lula“ da Silva vor gut zehn Jahren begann.

 

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