Von A bis Z

Von Anarchismus, Antimilitarismus, Feminismus bis Zapatismus

Editorial - Graswurzelrevolution Nr. 385, Januar 2024


 

Liebe Leser:innen,

während des Ersten Weltkriegs waren Anarchist:innen Teil einer antimilitaristischen Minderheit. Das „Soldatenlied“ des Anarchisten Erich Mühsam stammt aus dem Jahr 1916, aus einer Zeit also, als Millionen im Stellungskrieg verstümmelt oder ermordet wurden. Darin heißt es unter anderem:

 

„Soldaten! Ruft’s von Front zu Front:

Es ruhe das Gewehr!

Wer für die Reichen bluten konnt’,

kann für die Seinen mehr.

Ihr drüben! Auf zur gleichen Pflicht!

Vergesst den Freund im Feinde nicht!

In Flammen ruft der Horizont

nach Hause jedes Heer.“


 

Angesichts des Stellungskriegs in der Ukraine sind Mühsams Worte heute so aktuell wie damals.

Auch die heutige Zeit ist von Militarisierung, Kriegspropaganda, Nationalismus und Rassismus geprägt. Dieser übel riechende Zeitgeist bläst auch der Monatszeitschrift für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft eiskalt ins Gesicht.

In den letzten 52 Jahren war es oft so, dass die GWR-Auflage in Kriegs- oder Krisenzeiten anstieg, vermutlich, weil Menschen gerade aus den sozialen Bewegungen antimilitaristische Informationen, Utopien, ein Sprachrohr, eine gewaltfrei-anarchistische Gegenöffentlichkeit gesucht haben.

Heute gibt es leider noch keine große antimilitaristische oder gewaltfrei-anarchistische Bewegung.

Seit Beginn der Corona-Krise gibt es mehr GWR-Abokündigungen als Neuabos. Diesen Trend wollen wir umkehren. Wir denken, dass die GWR heute wichtiger denn je ist. Wir setzen auf Eure Unterstützung. Bitte spendet, abonniert (1), werbt Abos, verschenkt Abos an Freund:innen (2) sowie Freiabos (3) an Gefangene.


 

GWR 485


 

Warum die GWR ein außergewöhnliches Organ ist, wird beim Lesen der neuen Ausgabe klar. Diesmal haben wir u.a. zwei Schwerpunkte für Euch: „30 Jahre neuer Zapatismus“ und „Die Waffen nieder!“

Am 1. Januar 1994 begann im mexikanischen Bundesstaat Chiapas die Revolte der neuen Zapatistas. Der 30. Jahrestag ist Anlass für uns, den Blick nach Mexiko zu richten und Euch mit mehreren Artikeln und Interviews auf den Seiten 3 bis 8 Einblicke in die widerständige Kultur vor allem auch der zapatistischen Frauen zu ermöglichen. Dabei wird im Interview mit der Feministin Lupita auch der gewaltfreie Widerstand der „Bienen Acteals“ dargestellt.

Ein weiterer Schwerpunkt dieser Ausgabe ist das Thema „Die Waffen nieder!“

Hier geht es in den Beiträgen von Swetlana Nowoshenowa von den Palestinians and Jews for Peace (S. 1, 15 f.) und Rana Salman von der israelisch-palästinensischen Graswurzelbewegung Combatants for Peace (S. 15) u.a. um Perspektiven für ein Ende des Gaza-Kriegs.

Der ukrainische Pazifist Yurii Sheliazhenko beschreibt in seinem Grußwort auf Seite 16 u.a. den Alltag unter dem Kriegsrecht in der Ukraine. Ich widme mich auf Seite 17 unter dem Titel „Krieg ist der Massenmord auf Kommando“ u.a. der Frage, wie der Ukraine-Krieg enden könnte. Lou Marin zeichnet auf Seite 10 den Aufstieg des Kriegsverbrechers Putin in Russland nach. Marah Frechs Bericht über die Internationale Konferenz zur Kriegsdienstverweigerung in Südkorea macht Hoffnung auf eine globale Bewegung (S. 18f.).

Mit dem Wahlsieg des extrem rechten „Anarchokapitalisten“ Milei und der Situation in Argentinien beschäftigen sich zwei Artikel von Stephan Ruderer und Peter Nowak (S. 1, 9).

Warum drängte die Atomlobby bei der Klimakonferenz 2023 in Dubai auf den Bau von neuen Mini-AKW? Was können wir gegen die Propaganda der Atom-Lobby machen? Dazu Axel Mayer auf Seite 2. Ella Behn hat Betroffene von rassistischer Polizeigewalt interviewt (S. 11) und GWR-Mitherausgeberin Silke berichtet über die neuen Prozesse gegen Teilnehmer:innen der Anti-G20-Proteste 2017 in Hamburg (S. 12). Maurice Schuhmann nimmt uns mit auf eine Reise in die anarchistische Comicwelt, während es im zweiten Teil des „Utopia 2.0“-Interviews mit Konstantin Wecker u.a. um die Letzte Generation und die Kurd:innen geht (S. 20). Für gute Unterhaltung können die „so süß wie maschinenöl“-Glosse von Elmar Wigand und die Buchbesprechungen in der „wunderkammer“ auf den Seiten 21 bis 24 sorgen.

 

Ausblick und Lob


 

Die von Radio Graswurzelrevolution mit organisierte Freie-Radio-Veranstaltung am 30.11.2023 (4) hat uns dazu angeregt, einen Schwerpunkt zum Thema „100 Jahre anderes Radio“ für die GWR 486 zu planen.

Gefreut haben wir uns über einen Telepolis-Artikel vom 29.11.2023. Dort heißt es über den Anti-AfD-Schwerpunkt der GWR 483: „Kritische antifaschistische Arbeit zeigt auf, wie stark die AfD Teil der bürgerlichen Gesellschaft in Deutschland ist. Die Novemberausgabe der libertären Zeitschrift Graswurzelrevolution bietet eine sinnvolle Auseinandersetzung mit der AfD und ihrem Umfeld. Dort werden Geschichte und Militarismus der rechten Partei beleuchtet sowie ihre Verankerung im rechten Milieu aufgezeigt. Niemand käme jedoch auf die Idee, die Staatsautorität anzurufen, um die Partei durch ein Verbot aus dem Parlament zu verbannen. Stattdessen betont Connie Lutz: 'Eine Gegenöffentlichkeit gegen die rassistische Hetze und eine starke antifaschistische Bewegung und Zivilgesellschaft sind heute wichtiger denn je, um diese menschenfeindliche Partei und den Neonazismus zurückzudrängen.'“ (5)

Ans Herz möchte ich Euch ein Buch und zwei Radiosendungen legen: „Nicht nur über Israel reden“. Diese Radio Graswurzelrevolution-Sendung mit Meron Mendel (vgl. GWR 483) ist ab sofort dauerhaft in der Mediathek von NRWision zu hören, inklusive aller Songs, die er sich für die Sendung gewünscht hat. (6) Außerdem: „Ich widersetze mich! Pınar Selek – Türkische Soziologin und Menschenrechtlerin“, ein SWR 2-Feature (7), sozusagen die Radiosendung zum soeben im Verlag Graswurzelrevolution erschienenen Buch: „Die Unverschämte. Gespräche mit Pınar Selek“. (8)

Uns allen ein friedliches Jahr 2024, Anarchie und Glück,

Bernd Drücke (GWR-Red.)


 

Anmerkungen:

1) https://www.graswurzel.net/gwr/service/abo/

2) https://www.graswurzel.net/gwr/service/geschenkabo/

3) https://www.graswurzel.net/gwr/service/freiabos-fur-gefangene

4) Siehe: „Das Besondere war ja, dass es illegal war“ - Veranstaltung „100 Jahre anderes Radio“: Ehemalige Aktivisten erinnerten an den sendungsbewussten Piratensender „Radio Fledermaus“, Artikel von Christian Szepan, in: Alles Münster, 2.12.2023, https://t.co/ZkT854rVBM

Radio Nordpol hat die Podiumsdiskussion dokumentiert: https://radio.nrdpl.org/2023/12/04/100-jahre-anderes-radio/

5) https://www.telepolis.de/features/Deep-Fake-Fail-Ein-Video-Olaf-Scholz-und-eine-gefaehrliche-Wendung-9543099.html

6) https://www.nrwision.de/mediathek/radio-graswurzelrevolution-meron-mendel-professor-und-autor-231213

7) https://www.swr.de/swr2/doku-und-feature/ich-widersetze-mich-pinar-selek-tuerkische-soziologin-und-menschenrechtlerin-swr2-feature-2023-12-15-100.html

8) https://www.graswurzel.net/gwr/produkt/die-unverschaemte/


 

Editorial aus: Graswurzelrevolution Nr. 485, Januar 2024, www.graswurzel.net